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Nicolaus Dürkopp -
einmal ganz privat

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Über den Firmenpatriarchen Nicolaus Dürkopp und sein Werk sind im Laufe der letzten Jahrzehnte in Büchern, Zeitschriften und Tages-
zeitungen zahlreiche Aufsätze veröffentlicht worden. Abgesehen von Abweichungen in Detailfragen, stimmen die Verfasser darin überein,
dass Nicolaus Dürkopp wohl nur für seine Arbeit gelebt habe. Über das Privatleben dieses erfolgreichen Technikers und Unternehmers
gab es aber kaum zuverlässige Informationen. Nachforschungen führen zu recht interessanten Ergebnissen.


Nicolaus Dürkopp mit seiner geliebten Zigarre
( etwa 1912 )
Fragen ergeben sich bereits bei einer Überprüfung von Herkunft und Namen jenes
Mannes, der zum Inhaber des zeitweise größten und bedeutendsten deutschen Nähmaschinenwerkes aufstieg. Während eines langen Zeitraumes waren die Bielefelder
Dürkoppwerke zugleich der größte Industriebetrieb Ostwestfalens. Nach dem Taufregister
der reformierten St. Petri-Gemeinde (Herford) erblickte Nikolaus Dürkopp am 26.02.1842
als Ferdinand Robert Nikolaus Dürrkopf in Herford das Licht der Welt. Wann der Name
Dürrkopf durch Dürkopp ersetzt wurde, konnte bisher nicht einwandfrei geklärt werden.
In den Dürkopp-Werken gibt es allerdings eine Urkunde, in der der Name des Großvaters,
ein Nagelschmied, bereits als Johann Heinrich Dürkopp geschrieben ist. Es gilt daher als
wahrscheinlich, dass sich der Kirchenbuchführer der St. Petri-Gemeinde verpflichtet gefühlt
hat, den plattdeutsch klingenden Namen Dürkopp in das "hochdeutsche" Dürrkopf zu
verändern. Den Beruf des Nagelschmieds hat auch der Urgroßvater von Nicolaus ausgeübt.
Konrad Dürkopp stammte aus Helmarshausen, heute ein Ortsteil von Bad Karlshafen an
der Oberweser. Der Vater von Nicolaus Dürkopp soll in Herford eine Eisenwarenhandlung betrieben haben.
Seine Mutter war Luise Karoline Friederike, geborene Hildebrand, die Tochter eines Bie-
lefelder Schuhmachers. Über den Verbleib der Eltern gibt es widersprüchliche Angaben.
Nach einer Herforder Informationsquelle sollen beide Elternteile früh verstorben sein. Laut
einer anderen Quelle sind sie aber nach Amerika ausgewandert.
Hinreichend belegt ist, dass der junge Nicolaus bei seiner Großmutter in Herford aufwuchs.
Dorothee Auguste, geborene Schüßler, mit dem Nagelschmied Johann Heinrich Dürkopp
verehelicht, stammte aus Detmold. Ihr Vater war der Kanzleibote Klemens August Schüßler.
 

Nicolaus Dürkopp besuchte von 1848 bis 1856 in Herford die Volksschule. Nach einer Informationsquelle aus dieser Stadt soll er trotzdem zeit
seines Lebens weitgehend ein Analphabet geblieben sein. Dieser Verdacht wird erhärtet durch die Tatsache, dass es in seinem Nachlass keinerlei eigene handschriftliche Aufzeichnungen oder Briefe gegeben hat. Es wird ferner berichtet, dass er sich, bereits Unternehmer und Fabrikherr, wichtige Urkunden und Verträge jeweils von mehreren Personen vorlesen ließ. Erst wenn er davon überzeugt war, den Inhalt solcher Schriftstücke richtig verstanden zu haben, war er zur Unterzeichnung bereit.
In den meisten Berichten über Nicolaus Dürkopp und sein Unternehmen wird der Vorname mit k geschrieben. Die Bielefelder Stadtväter, die eine Straße nach ihm benannt haben, bezeichnen diese auf den Schildern ebenfalls als Nikolaus-Dürkopp-Straße. Andererseits gilt es als hin-
reichend erwiesen, dass der Firmenpatriarch selbst seinen Vornamen stets mit c schrieb. Diese Schreibweise findet sich auch auf seinem Grab-
mal auf dem Obernbergfriedhof in Bad Salzuflen. In der Todesanzeige, im Juni 1918 in vielen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht, findet
sich ebenfalls die Schreibweise Nicolaus.
Im Jahre 1856 begann Nicolaus Dürkopp eine dreijährige Schlosserlehre beim Meister Köller in Detmold. Bereits während dieser Ausbildungs-
zeit soll er sich für Feinmechanik interessiert haben. Sein Gesellenstück, eine Küchenwaage, schenkte er beim Abschied seinem Lehrmeister.
Da nach ordnungsgemäß abgeschlossener Ausbildung in den meisten Handwerksberufen das Gesellenwandern damals Pflicht war, arbeitete
Dürkopp während des folgenden Jahres in größeren Betrieben in Berlin, Hamburg und Bremen. Anschließend kehrte er nach Ostwestfalen
zurück.
Zu ersten Kontakten mit der Nähmaschine kam es in der Werkstatt des Bielefelder Uhrmachers und Nähmaschinenhändlers Böckelmann am Alter Markt. Das Geschäft besteht noch heute an selber Stelle.(* Das Geschäft besteht dort nicht mehr.) Die Einweisung in die Geheimnisse der Nähmaschinen-Technik besorgte übrigens Carl Baer, den seine Firma, die Berliner Nähmaschinenfabrik Carl Beermann
(Unter den Linden 8), zur Unterstützung ihres Vertreters Böckelmann nach Bielefeld delegiert hatte.
Zusammen mit seinem Freund Heinrich Koch machte sich Carl Baer 1861 mit einer kleinen Nähmaschinenfabrik in Bielefeld selbstständig. Aus der Firma Baer & Koch ist die spätere Kochs Adler AG (*Firma Koch & Co) hervorgegangen. In der Aufbauphase war Nicolaus Dürkopp zeitweise Mitarbeiter bei Baer & Koch, bevor er sich 1867 ebenfalls zur Gründung eines Nähmaschinenbetriebes entschloss. Sein Partner Carl Schmidt war zuvor auch bei Baer & Koch tätig gewesen.
Den Durchbruch zum Industriebetrieb schaffte die Firma Dürkopp erst, nachdem 1876 Ferdinand Kaselowsky, Direktor der Ravensberger
Spinnerei und einer der reichsten Männer von Bielefeld, sein Geschäftspartner geworden war. Carl Schmidt schied mit einer Abfindung in ansehnlicher Höhe aus. Von diesem Geld gründete er eine eigene Nähmaschinenfabrik, die zur Keimzelle der späteren Ankerwerke wurde.

Nicolaus Dürkopp, der bereits im preußisch-österreichischen Krieg von 1866 als Soldat diente, wurde auch Teilnehmer des siegreichen Feldzuges gegen Frankreich 1870/71. Für eine UK-Stellung reichten seine zu dieser Zeit vorhandenen guten Beziehungen zur Obrigkeit offenbar noch nicht aus. Trotz verschiedener Rückschläge (ein Großbrand am 12. Dezember 1877 zerstörte fast die gesamte Fabrik) und Krisen
(um 1880/85) vermochte sich das Unternehmen weiter günstig zu entwickeln. Das könnte eine Folge davon gewesen sein, dass man mit dem 1885 eingeführten Fahrradbau rechtzeitig eine Diversifikation der Produktion eingeleitet hatte. Nicolaus Dürkopp, der als ungewöhnlich dynamisch und risikobereit beschrieben wird, war unzweifelhaft die "Seele" seines Geschäfts. Der Schlosser, Gewerkschaftsführer und spätere preußische Innenminister Carl Severing (1875 bis 1952), der ebenfalls aus Herford stammte und zeitweise als Schlosser in den Dürkoppwerken gearbeitet hat, beschreibt in den Lebenserinnerungen seinen damaligen Chef als polternden und raubeinigen Starrkopf, der seine Direktoren als Schreiber bezeichnete und auch entsprechend behandelte.

Das "schwache " Geschlecht

Nach der Aussage eines früheren Mitarbeiters soll Nicolaus Dürkopp seinen ersten Grundbesitz an der Marktstraße nach seiner Verlobung mit einer Dame aus dem Bielefelder "Leinenadel" günstig erworben haben. Das Verlöbnis wurde jedoch einige Zeit später wieder aufgelöst. Um 1872 heiratete Nicolaus Dürkopp die aus Hannover stammende Ida Vogelsang. Aus dieser Ehe sind die Kinder Paul und Bertha hervorgegangen. Nicolaus Dürkopp soll den Plan gehabt haben, seine Tochter mit einem reichen amerikanischen Geschäftspartner zu verheiraten. Daraus wurde jedoch nichts, da die Tochter während der Überfahrt auf dem Schiff Selbstmord beging.
Diese erste Ehe von Nicolaus Dürkopp hat offenbar einen wenig glücklichen Verlauf genommen. In seiner pompösen Villa in unmittelbarer Nähe des Werkes soll er sich nach wiederholten heftigen Auseinandersetzungen mit der Angetrauten kaum noch aufgehalten haben. Er bewohnte in dieser Zeit ein Zimmer hinter dem Werkseingang von Werk I. In die schlossartige Villa zu seiner Familie begab er sich nur noch, wenn Repräsentation angesagt war. Von früheren Werksangehörigen wurde auch berichtet, dass sich ihr Chef von Zeit zu Zeit eine zünftige Sause durch Bielefelder Gaststätten leistete. Nach durchzechter Nacht stand er dann morgens am Werktor, um zu kontrollieren, wer von seinen Mitarbeitern zu spät kam...


Trotz der Ehe-Schwierigkeiten soll Nicolaus Dürkopp Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts keineswegs abhold gewesen sein. Bereits damals gab es in einem Gebäude an der Ecke Ulmenstraße/Kreutzstraße im Bielefelder Norden eine Art Nachtklub, wo sich betuchte Herren in den besten Jahren -wie im Blauen Engel- entsprechend betreuen lassen konnten. Zu den Stammkunden der im ersten Stock untergebrachten "lebenslustigen Mädels" soll auch Nicolaus Dürkopp gezählt haben.
Die Bielefelder "gute Gesellschaft" muss wohl einigermaßen schockiert gewesen sein, als sich Nicolaus Dürkopp von seiner ersten Frau scheiden ließ. Die Geschiedene soll unter anderem ein Haus im Taunus zugesprochen bekommen haben.
Nicolaus Dürkopp ging schon bald wieder "auf Freiersfüßen". Als 70jähriger heiratete er am 20. September 1912 die 34 Jahre jüngere Emilie Louisa Agnes Helene Jacke, Tochter des Bielefelder Lebensmittelkaufmanns Ludwig Jacke.(*Der Skandal !!) Emilie Dürkopp schrieb ihren Vornahmen gewöhnlich als "Milliy". Im Betrieb war sie unter dem Namen "Mimmi" bekannt. Die Eheschließung wurde unter den Nr.29/1912 beim Standesamt in Bad Salzuflen beurkundet. Die Verlegung des Wohnsitzes der "Dürkopps" in das lippische Bad Salzuflen soll aus steuerlichen Gründen erfolgt sein. Unweit der Salinen am Roseneck in Bad Salzuflen ließ Nicolaus Dürkopp eine neue schlossartige Villa errichten.
Die Fertigstellung erfolgte gerade noch rechtzeitig zum 50jährigen Firmenjubiläum, das am 22.Oktober 1917 begangen wurde.


Die Villa Roseneck in Bad Salzuflen (1992)

Es ist nicht ohne eine gewisse Tragik, dass der Firmenpatriarch bereits ein Jahr später am 25. Juni verstorben ist. Ein längerer ruhiger Lebensabend in seiner schönen neuen Residenz ist ihm nicht vergönnt gewesen. Am 29. Juni 1918 wurde er auf dem erst kurz zuvor eingeweihten Waldfriedhof am Obernberg in Bad Salzuflen bestattet. Er erhielt auf diesem neuen Friedhof die Grabstelle "Nr.1" zugeteilt. In Berichten heißt es, dass es die größte Trauerfeier war, die Bad Salzuflen je erlebte. Das Grabmal trägt den Wahlspruch-"Ohne Arbeit kein Segen-ohne Wille kein Ziel". Nicolaus Dürkopp soll ihn selbst ausgewählt haben. Das Grabmal in Form eines Runden Tempels befindet sich noch heute im Schatten hoher Bäume. Die darin vorhandene Marmorskulptur der Psyche vor dem Berggipfel ist der griechischen Sage nachempfunden.
Bereits 1915 hatten Nicolaus Dürkopp und seine junge Frau ein Kind adoptiert. Das am 30. September 1915 geborene Mädchen erhielt die Namen Milli Elsa. Milli Elsa Dürkopp nahm bei ihrer späteren Eheschließung den Namen Trampe an . Sie ist am 15. November 1990 gestorben. Auf der Grabstätte der Familie Dürkopp hat man sie bestattet (Bilder links/rechts). Auf der Grabplatte, die bereits die Namen sowie die Geburts- und Sterbejahre der Adoptiveltern trug, wurde ihr Name nachgetragen. Nach dem Tode von Nicolaus Dürkopp hat es noch Erbauseinandersetzungen zwischen Emilie Dürkopp und ihrem Stiefsohn Paul gegeben, die jedoch dazu führten, dass die junge Witwe mit ihrem Adoptivkind in der Villa Roseneck wohnen bleiben konnte.
Wie damals allgemein üblich, hat auch Nicolaus Dürkopp in seinem Vermächtnis die Verantwortung für das Unternehmen seinem Sohn Paul übertragen. Dieser war zur Übernahme von Unternehmerverantwortung aber kaum geeignet, da er weder Kaufmann noch als Techniker ausgebildet war. Seine Neigungen gehörten dem
Militär. Er war preußischer Offizier und Rittmeister bei den Paderborner Husaren. Immerhin gelang es Paul Dürkopp, mit dem aus der Schwerindustrie kommenden Generaldirektor Möllenberg einen Fachmann für die Leitung der Dürkopp Unternehmen zu verpflichten.
Von Nicolaus Dürkopps zweiter Frau ist noch bekannt, dass diese in den zwanziger Jahren in der Villa Roseneck ein vornehmes Cafe errichtete.
Um 1928 wurde das Haus als Hotelpension mit Restaurant an Otto Feitsch verpachtet. "Milliy" zog sich 1937 in das kleine Hinterhaus zurück.
Das Grundstück mit allen Gebäuden wurde 1941 an die Deutsche Reichsbahn verkauft. Es entstand dort ein Kinder- und Erholungsheim. Beim deutschen Zusammenbruch im Jahre 1945 verfiel die Villa Roseneck bei der Beschlagnahme durch die Besatzer. Inzwischen wird die Anlage wieder als Erholungsheim für Eisenbahner genutzt. Die Dürkopps sind in Bad Salzuflen unvergessen.


Friedrich K. Moeller





Quelle:
Ausarbeitung von Herrn Friedrich K. Moeller

Bildnachweis:
Sammlung des Museums der Stadt Bad Salzuflen.
Kurt Erfkamp und Friedrich K. Moeller.