XI. Bundesfest des Deutschen Radfahrerbundes.
Fortsetzung der Haupt-Verhandlungen.
Geraume Zeit nahm die Berichterstattung der in Leipzig gewählten Revisionskommission über die Rechnungslegung des Jahres 1892/3 in Anspruch. Nach sehr animirter Debatte wurde dem Vorstand, der bis Ende 1893 die Geschäfte des Bundes geführt hat, Entlastung erteilt. Nur eine Mittagspause von reichlich einer Stunde nahmen die arbeitslustigen Delegirten für sich in Anspruch, dann ging es bald nach 3 Uhr wieder ins Geschäft, und es war nahezu 8 Uhr Abends geworden, als der Präsident die Sitzung für geschlossen erklärte. Und in dieser 5 stündigen Arbeitszeit waren nur zwei gegenstände der Tagesordnung erledigt; ein Beweis, mit welcher Gründlichkeit die Delegirten die für den Bund wichtigen Angelegenheiten bearbeiten. Aus dem Bericht der Revisionskommission über die Rechnung 1893/94 geht hervor, daß nach Antritt des neuen Bundeszahlmeisters, Herrn Pelates -Crefeld, eine in mancher Beziehung sparsamere Verwaltung Platz gegriffen hat. Die Kassenverhältnisse sind durchaus gute. Das disponible Bundesvermögen berägt rund 56 0000 Mk., der Reservefonds 15 000 Mk. Dem Bundeszahlmeister wurde unter dankbarer Anerkennung seiner Thätigkeit Entlastung ertheilt. Die Versammlung beschloß alsdann, daß die Reisegelder der Vorstandsmitglieder von jetzt ab auf Grund des wirklich verausgabten Fahrgeldes für ein Billet 2. Klasse und nicht mehr nach Kilometern berechnet werden sollen. Daneben erhalten die Vorstandsmitglieder, wie bisher, 15 Mark Diäten. Es folgt nunmehr die Verhandlung über einen der wichtigsten Gegenstände der Tagesordnung. Bisher ist auf den Rennbahnen der Vereine, die zum deutschen Radfahrerbunde gehören, der Grundsatz strikte innegehalten worden, daß nur Ehrenpreise den Siegern ausgezahlt werden. Der Sportausschuß hat nun geglaubt, den Wünschen einer größeren Zahl von Bundesmitgliedern Rechnung tragen zu müssen, die da meinen, wenn auf den Rennbahnen des Bundes nicht unter Umständen auch Geldpreise zu Ausgabe kämen, so würden die berühmtesten Fahrer den Rennbahnen des Bundes den Rücken kehren, zumal andere außerhalb des Bundes stehende Radfahrer-Vereinigungen die Geldpreise bei sich eingeführt haben. Der Sportausschuß beantragt daher, die "Herrenfahrer" in zwei Klassen aufzutheilen und der zweiten Klasse, die noch immer mit Abstand von den sog. "Berufsfahrern" betrachtet werden sollen, die Annahme von Geldpreisen insoweit zu gestatten, wie diese Geldpreise zur Bestreitung der sportlichen Unkosten, nicht aber zur Bestreitung des Lebensunterhaltes benutzt werden. Es entwickelt sich über diesen Antrag eine außerordentlich lebhafte, aber ebenso streng fachliche Debatte. Mit Begeisterung trat die Mehrzahl der Redner dafür ein, daß der Bund an seinen idealen Grundsätzen streng festhalten und den "verkappten Berufsfahrern" keine Konzession machen dürfe. Schließlich wurde ein Antrag des Frankfurter Bicycle-Klubs: "Das Amateur-Prinzip, wie es in den Bundessatzungen und in den Wettfahrbestimmungen des Deutschen Radfahrerbundes festgelegt ist, möge aufrecht erhalten werden" mit 89 gegen 38 Stimmen angenommen (stürmischer Beifall und Händeklatschen). Damit waren die Verhandlungen des ersten Tages beendet. Durch die lange Dauer derselben war es den Delegirten unmöglich, den sg. "Vorläufen" für die am folgenden Tage stattfindenden Wettfahrten auf der Rennbahn beizuwohnen. Diese Vorläufe hatten gewissermaßen die Bedeutung einer Musterung der Bewerber um die Siegespreise des folgenden Tages, denn immer nur die drei Ersten bei jedem einzelnen Vorlauf sollten beim Hauptrennen konkurriren dürfen. War es also, wie gesagt, den Delegirten nicht vergönnt, diesen "Vorläufen" beizuwohnen, so war ihnen doch volle Gelegenheit geboten, sich beim prächtigen abendlichen
Gartenfest im "Tivoli"
von den Strapazen des Tages zu erholen.- Die Genüsse eines derartigen Abends wissen unsere Leser ja zur Genüge zu schätzen und die Fremden äußerten sich entzückt über die Reize unseres "Tivoli". Das lebhafte Interesse, mit dem die Einwohner unserer Stadt dem großen Ereignisse des Sonntag-Vormittags, dem
Fest- und Preis-Korso
entgegen sahen, kann in den von einer kolosallen Menschenmenge belagerten Straßen, welche der Zug passiren sollte, zu lebendigem Ausdruck. Und in der That, etwas Imposanteres und zugleich Originelleres ist hier wohl selten in Form eines öffentlichen Umzuges geboten. Das Arrangement des Zuges war ganz vortrefflich, wenn derselbe in einigen Straßen, vor Allem in der Georgstraße, in seiner Wirkung beeinträchtigt wurde, so lag das in äußeren Umständen. Einmal machte der Himmel vorübergehend eine unfreundliche Miene, und dann wurde die wiederholte Karambolage der Straßenbahnwagen mit dem Festzuge allgemein höchst abfällig kritisirt. Bei einer ähnlichen Gelegenheit wird hoffentlich in Zukunft der Verkehr der Straßenbahnwagen, während eines öffentlichen Umzuges auf den von dieser berührten Straßen sistirt. Wir glauben nicht fehl zu greifen, wenn wir die Zahl der Theilnehmer am Festzuge auf mindestens 4000 angeben. Sechs Musikkorps, auf großen Leiterwagen untergebracht und passend im Zuge vertheilt, schmetterten tapfer darein. Ganz famos machte sich namentlich das den Zug eröffnende Trompeterkorps unseres Trainbataillons in altdeutscher Tracht. Die einzelnenVereine waren nach Gauverbänden rangirt und imponirten durch ihre durchweg kleidsamen Trachten. Glanzpunkte des Zuges bildeten die Festwagen des Hannoverschen Bicycle-Klubs (römischer Triumphwagen), des Hannov. Radfaher-Klubs Germania mit der improvisirten mater patrise im Hintergrunde und vor Alllem der höchst originelle Festwagen des Hannov. Stahlrad-Vereins von 1889, auf welchem eine idyllische Radfaherschenke "Im Krug zum grünen Kranze"erbaut war, in welcher der biedere Herbergsvater (Herr H.) und Frl. Tochter (Herr Sch.) mit Bravour ihres Amtes, die Durstigen zu tränken, walteten. Das Anfangs noch etwas schüchterne Frl. Tochter war im Laufe der Zeit resolut geworden, daß sie im Kußhandwerfen eine bewundernswürdige Fixigkeit sich angeeignet hatte. Brillant machte sich auch die Chinesengruppe, eine Veranstltung eines hiesigen mir im Augenblicke nicht bekannten Vereins. Von auswärtigen Vereinen fielen namentlich die Berliner in ihnen höchst kleidsamen weißen Uniformen mit schwarz-weißer Schulterschleife auf. Stark applaudirt wurde ein weibliches Trifolium, welches auf einem dreisitzigem Vierrad in der Kleidung des Berliner Gaues diesem voranfuhr. Noch reizender aber machten sich die folgenden Brandenburger Damen, welche das Vereinsbanner flankirten und sich als schneidige Fahrerinnen dokumentirten. Der Zug fand sein Ende im Zoologischen Garten. Hier fand eine photographische Aufnahme der sämmtlichen Bannerträger statt, und dann ließ man sich, allen offiziellen Zwangs entkleidet, zum schmackhaften Mittagessen nieder. Nachdem dann die Banner zur Erinnerung an den XI. Bundestag in Hannover mit Schleifen dekorirt waren, war es Zeit geworden, zur Rennbahn aufzubrechen, wohin sich inzwischen fast die halbe Stadt auf die Wanderschaft begeben hatte.
Vorläufe zu den Wettfahren.
Der sportliche Theil des Festes wurde am Sonnabend Nachmittag durch die Vorläufe zu den Wettfahren eingeleitet, die infolge der überaus großen Zahl der Anmeldungen nothwendig waren. Die Fahren waren vom Wetter nicht sehr begünstigt; theilweise regnete es sogar stark und dieses scheint auch an dem geringen Besuch des Publikums schuld zu sein, denn der Besuch stand nicht im Verhältniß zu der Anzahl der verkauften Festbücher und Billets.
Das erste Rennen war das Niederradfahren
über 2000 Meter, offen für Bundesmitglieder, die zu den diesjährigen Meisterschaften von Deutschland nicht gemeldet haben. Das Rennen war in zwei Läufe getheilt, von denen im ersten Laufe Clemens Wilke -Hamburg in
3 Min. 56 2/5 Sek. Erster, Max Striesche -Berlin in 3 Min. 57 Sek. Zweiter, und A. Kinzel
-Berlin in 3 Min. 57 1/5 Sek. Dritter wurde. Der zweite Lauf brachte H. Schildberger -München in 3 Min. 58 1/5 Sek. als Ersten Gustav Seiler -Sagan in 3 Min. 58 2/5 Sek.als Zweiten, und Fr.Classen -Marten in 3 Min. 58 3/5 Sek. als Dritten ans Ziel.
2. Großes Niederradfahren um den Preis der Stadt Hannover.
Strecke 3000 Meter. Dieses Fahren mußte sogar in 3 Läufe getheilt werden. Im ersten Laufe siegte Aug. Lehr -Frankfurt in 6 Min. 27 1/5 Sek., Zweiter wurde Göß -Frankfurt in 6 Min. 27 3/5 Sek., Dritter H. Schildberger -München in 6 Min. 27 3/5 Sek. Zweiter Lauf : Clemens Wilke in 6 Min. 5 2/5 Sek. Erster Rudolf Roderwald -Magdeburg 6. Min. 5 3/5 Sek. Zweiter O. Rosenstengel -Hannover in 6 Min. 5 4/5 Sek. Dritter. Dritter Lauf Hans Hofmann -München Erster in 6 Min. 32 1/5 Sek., Aug. Underborg -Hamburg Zweiter in 6 Min. 33 2/3 Sek., Paul Brodtmann, Hannoverscher Bicycle-Klub, Dritter in 6 Min. 33 3/5 Sek.
Dann folgte das Hochradfahren.
Offen für Bundesmitglieder , welche zu den diesjährigen Meisterschaften von Deutschland nicht gemeldet haben. Strecke 2000 Meter. 2 Läufe. Erster Lauf: A. Petitjean, Wiesbaden Erster in 4 Min. 7 3/5 Sek., Max Striesche, Berlin Zweiter in 4 Min. 8 2/5 Sek., E. Schlätz, Leipzig Dritter in 4 Min. 8 3/5 Sek. Zweiter Lauf: Heinrich Roth, München Erster in 4 Min. 15 3/5 Sek. Emil Gaestel, Hannover Zweiter in 4 Min. 15 3/5 Sek. Hermann Heine , Hann. Zweirad-Klub dritter in 4 Min. 16 2/5 Sek.
Das Doppelsitz-Zweiradfahren,
Strecke 2000 Meter, war das interessanteste des Tages.
Zwei Läufe. Erster Lauf: Georg Göß mit Rosenstengel Erste in 2 Min. 54 1/5 Sek., Stumpf mit Ludolphi Zweite in 2 Min. 54 3/5 Sek., Riedl mit Brodtmann dritte in 2 Min. 54 4/5 Sek. Zweiter Lauf: August Lehr mit Hofmann Erste in 3. Min. 24 Sek., Riemann mit v. Voigt Zweite in 3 Min 24 2/5 Sek.
Niederrad-Ermunterungsfahren,
Strecke 1000 Meter. Zwei Läufe. Erster Lauf: E. Albrecht -Berlin Erster in 1 Min. 33 Sek., Harold Wilson -Köln Zweiter in 1 Min. 33 1/5 Sek., Josef Rosemeyer -Lingen Dritter in 1 Min. 33 3/5 Sekunden. Zweiter Lauf: Alex Hennings -Hamburg Erster in 1 Min. 44 3/4 Sek., Jul. Tischbauer -Breslau dritter in 1 Min. 47 Sek.
Wettfahren am Sonntag 5. August.
Ungemein interessant waren die Wefahren an diesem Tage, vom Wetter begünstigt, seitens des Publikums so zahlreich besucht waren, daß trotz der dann extra gebauten 3 neuen Tribünen mit 3000 Plätzen kein Apfel zur Erde fallen konnte und viele umkehren mußten, da die Billets ausverkauft waren. Die Zahl der Zuschauer wird auf mehr als 15 000 geschätzt. Die Rennen, die erfreulicherweise ohne jeden Unfall verliefen nahmen folgenden Verlauf.
Niederradfahren. Entscheidungslauf. 2000 Meter
1. H. Schildberger, München, in 3 Min. 23 2/5 Sek. 2.Clemens Wilke, Hamburg, in 3 Min. 23 3/5 Sek. 3. Gustav Seiler, Sagan, in 3 Min. 23 4/5 Sek.
Meisterschaftsfahren von Deutschland und dem Bundesgebiet des D.R.B. über 10 000 Meter auf dem Hochrade.
Verteidiger: O. Beyschlag vom Wiener B.-C. Beyschlag war leider nicht erschienen. Das Rennen wurde von Paul Praesent, Hamburg, in 19 Min 32 2/5 Sek. gewonnen. 2. wurde Emil Schultz, Bochum; 3. Hans Ludolphi, Hamburg, jeder mit 1/5 Sek. Abstand.
Meisterschaftsfahren von Deutschland und dem Bundesgebiete des D.R-B. auf dem Niederrade über 1000 Meter.
Verteidiger: August Lehr vom Frankfurter Bicycle-Club. Zwei Läufe. Erster Lauf: Rud. Roderwald, Magdeburg, 1. in 1 Min 55 Sek., Carl Riedl, Wien, 2. in 1 Min. 55 1/3 Sek., Carl Stichling, Leipzig 3. in 1 Min. 56 2/5 Sek. Zweiter Lauf: 1. Aug. Lehr in 1 Min. 40 Sek., 2. Hans Hofmann in 1 Min. 40 1/5 Sek., 3. O. Rosenstengel in 1 Min. 40 2/5 Sek. Entscheidungslauf: Aug. Lehr 1. in 1. Min. 40 Sek., Hans Hofmann 2. in 1 Min. 40 1/5 Sek., Rud. Roderwald 3. in 1 Min. 40 2/5 Sek.
Meisterschaftsfahren von Deutschland und dem Bundesgebiet des D.R.B. auf des Dreirad über 5000 Meter.
Verteidiger: Herr M. Tischbein, Hannoverscher B.-C. von 81. Herr Tischbein war nicht am Start. 1. und damit Meisterschaftsfahrer wurde Paul Brodtmann in 9 Min. 26 2/5 Sek., 2. Otto Stupf in 9 Min. 26 3/5 Sek., Aug. Underborg in 9 Min. 26 4/5 Sek. Franz Heine, der die Mehrzahl der Runden geführt hatte, ließ zuletzt nach, da ihn das Fahren auf dem Einrad im Korso zu sehr angegriffen hatte.
Hochradfahren mit Vorgabe. Strecke 2000 Meter.
Erster von Voigt, Hannov. Zw.-Kl. (30 Meter Vorgabe) in 3 Min. 20 4/5 Sek. Zweiter Ludolphi, Hamburg (20 Meter Vorgabe), in 3 Min. 21 1/3 Sek. Dritter K. Jatho, Radf.-Kl. Hannover (110 Meter Vorgabe), in 3 Min. 22 Sek.
Großes Niederradfahren um den Preis der Stadt Hannover. Srecke 3000 Meter.
Entscheidungslauf. Erster Aug. Lehr in 4 Min. 39 2/5 Sek. Zweiter Hofmann in 4 Min. 39 3/5 Sek. Dritter Riedl in 4 Min 39 4/5 Sek. Rosenstengel, der 4 Runden geführt hatte, erhielt dafür den Führungspreis.
Hochradfahren. Entscheidungslauf.
Erster Heinr. Roth, München, in 4 Min.7 1/5 Sek. Zweiter Emil Gaestel, Hannover, in 4 Min.7 2/6 Sek. Dritter A. Petitjean, Wiesbaden, in 4 Min. 7 3/5 Sek.
Doppelsitz-Zweiradfahren.
Entscheidungslauf. Auch jetzt war dieses Fahren, gerade wie dessen Vorläufe wie tags zuvor, das interessanteste des Tages. Das Ereigniß des Tages war der Sieg von Rosenstengel und Roderwald, die die Strecke von 2000 Meter in 2 Min. 39 Sek. zurücklegten, über Lehr und Hofmann, die 1/5 Sek. hinter ihnen über das Band gingen. Dritter wurden Stumpf und Ludolphi. Das Rennen wurde in schneidigstem Tempo gefahren und der Rekord um 4/5 Sek. gedrückt.
Kunstfahren.
Gleichwie bei den Rennen, waren auch zu den Kunst- und Reigenfahren eine so erhebliche Anzahl Nennungen eingelaufen, daß es geboten erschien, das Kunstfahren theilweise bereits am Sonnabend abend abzuhalten. Es war vom Fahrerausschuß beschlossen, an diesem Abend die Duettfahrer, deren sich 7 gemeldet hatten, ihre Uebungen zeigen zu lassen. Emil und Bernh. Sparborth vom Radfahrerverein "Wettin" in Colditz führten ihre Uebungen, die auf dem Hochrade erfogten, sehr exakt aus und ernteten reichen Beifall. Die Glanzleistung derselben war das Fahren des einen Herren auf der Maschine mit gehobenem Hinterrade, während sein Bruder auf seiner Schulter saß. Dieselbe Uebung geang auch besonders gut dem Paare Richard Schulz und Hugo Pratje vom Altonaer Radfahrer-Verein, die dabei noch die Hände loßlassen konnten, und damit nicht enden wollenden Applaus bekamen. Als drittes Paar traten Rudolf Balzer und Paul Sartorius-Cuxhafen auf, die gleichfalls, diese auf dem Niederrade, recht sicher und gewandt fuhren. Hat schon auf Touren und bei den Wettfahren das Niederrad das Hochrad fast verdrängt, so scheint sich auch der Kustfahrer dieser Maschinengattung mehr und mehr zu bedienen. Die Paare A. Daßler und E. Rabe-Altona, sowie Otto Zahn und Ferd. Ohl-Hanau führten auf Niederrädern gleichfalls recht hübsche Wendungen und Kunststücke aus, von denen besonders ersteren das Rückwärtsfahren ohne Gebrauch der Lenkstange gut gelang. Herr E. Rabe, der mit M.Winter-Altona auch noch auf dem Hochrade fahren wollte, wurde von den Preisrichtern nicht zugelassen, da nicht auf zwei Maschinengattungen gestartet werden durfte. Das Paar Arenhold und Heine konnte nicht in die Schranken treten, da ersterer durch Militärpflichten verhindert war. Als Sieger aus diesem Wettstreit scheinen Schulz Pratje hervorzugehen; das Resultat wird erst bekannt. Hochinteressant waren auch die Uebungen der Kunstfahrer, und zwar der Herren Jos. Sattler (Dortmunder R.-B. "Vorwärts"), Rich. Schulz (Altonaer R.-B. von 1890), Max Winter (Alonaer B.-C. von 1869/80), von denen Schulz, derselbe, der sich im Duettfahren hervorgethan, den Titel "Meisterfahrer von Deutschland im Kunstfahren führt." Die Uebungen sind in vorgeschriebene und selbstgewählte getheilt, von denen am Sonnabend erstere erledigt wurden. Von den 10 auf dem Programm befindlichen Uebung waren von den Preisrichtern folgende 5 ausgewählt: A. Bei laufender Maschine. 1)Von der linken Seite in den Seitsitz rechts springen - stehen bleiben - anfahren - beide Beine gleichzeitig über die Lenkstange zum Seitsitz links - stehen bleiben - anfahren - durch Rückschwung beider Beine Absprung nach der rechten Seite. 3) Beide Hände am Sattel, Sprung von hinten in den Reitsitz vorwärts - vom linken Pedale aus weiderholter Abschwung und damit verbunden sofortiger Aufschwung zum Reitsitz - linker Fuß auf dem Auftritt links, rechter Fuß auf dem Pedal links freihändig fahren - Absprung vom Auftritt aus durch Spreizen über die Lenkstange bei aufzufangender Maschine.5) Sprung von hinten zum freien Stand im Sattel, linker Fuß auf der Lenkstange, rechter Fuß im Sattel - nieder in den Reitsitz - beide Beine gleichzeitig auf die Lenkstange heben und stehen bleiben - Absprung über die Lenkstange hinweg ohne Berührung derselben mit dem Körper, bei aufzufangender Maschine. B. Bei stehender Maschine. 7) Vom linken Pedale aus Aufstieg vorwärts - stehen bleiben - Querstellen des Vorderrades und freier Stand in den Speichen - Stand auf dem Reifen - Absprung durch Spreizen nach vorne über die Lenkstange bei aufzufangender Maschine. 9) Von vorne Aufsteigen zum Stand vor der Lenkstange - Fahren in der Richtung des Vorderrades - stehen bleiben - Uebergang zum Reitsitz rückwärts - freihänding in der Richtung des Vorderrades eine Achte fahren - stehen bleiben - von der stillstehenden Maschine ohne Gebrauch der Hände das rechte Bein über den Rücken schwingen zum rückwärtigen Stand rechts neben der Maschine. Während Schulz sämmtliche Uebungen vorzüglich fuhr und auch Winter den Anforderungen entsprach, konnte Sattler nur wenige der allerdings außerordentlich schwierigen Evolutionen ausführen. Auch hier erfolgt die Bekanntmachung des Resultats erst später. Das Ausfahren der selbstgewählten Uebungen sowie die Quadrillefahren, die 17 Vereine in Konkurrenz führen werden, fanden Sonntag Abend statt. Bei der ganz entsetzlichen Ueberfüllung des Konzerthauses war es selbst der Presse nicht möglich, trotz eines reservirten Sitzes Platz zu erhalten, daher konnte das Resultat noch nicht festgestellt werden.
Die Hauptverhandlungen
sollten heute früh 8 Uhr im Königssaale des "Tivoli" fortgesetzt werden, die Nachwehen einer fidel verlebten Nacht übten aber ihre Rückwirkungen auf die Mehrzahl der Delegirten aus und so zeigte die Uhr auf 1/2 10 als der Präsident, Rechtsanwalt R. Vogel-Königsberg, die Sitzung eröffnete und feststellen ließ, daß die Delegirten bis auf wenige am Platz waren. Der Vorsitzende ließ dann keinen Zweifel darüber, daß, wenn die Tagesordnung erschöpft werden und mit der Gründlichkeit wie bisher verhandelt werden sollte, dann mindestens noch 3 volle Tage nothwendig sein würden. (Zustimmung.) Es kann sich also nur darum handeln, eine Stunde zu bestimmen, wann die Verhandlungen geschlossen werden sollten, um den Delegirten Gelegenheit zu geben, vor dem Besuche der Rennbahn noch das Mittagessen einnehmen zu können. Es wurde darauf beschlossen, die Verhandlung Nachmittags 2 Uhr zu schließen und bis dahin nur die allernöthigsten Gegenstände der Tagesordnung zu erledigen. Da in der Privatunterhaltung lebhafte Klagen darüber laut geworden waren, daß bei dem gestrigen Kunstfahren im "Konzertsaale" viele Bundesmitglieder, die im Besitze einer Freikarte waren, wegen Ueberfüllung keinen Platz gefunden haben, so wurde seitens des hiesigen Festausschusses eine Erklärung abgegeben. Diese Erklärung ging dahin, daß der Festausschuß einen so gewaltigen Andrang nicht habe erwarten können, und deshalb den Vorverkauf der Einzelkarten nicht so rechtzeitig geschlossen habe, wie es wohl zweckmäßig gewesen sei. Im vorigen Jahre in Leipzig seien 1200 Festbücher, hier weit über 2000 Festbücher verkauft. Der Festausschuß bitte die Herren, die keinen Eintritt erhalten haben, herzlich um Entschuldigung. Von einem Redner aus der Versammlung wurde dem Festausschuß der Vorwurf gemacht, das sein Verhalten in Bezug auf den Vorverkauf der Einzelkarten zum Saalfahren wenn nicht an Betrug, so doch an "groben Unfug" grenze. Der Bundespräsident nahm den Festausschuß kräftig in Schutz, so daß der Vorredner seinen Vorwurf zurücknahm. Beschlossen wurde, daß bei ähnlichen Gelegenheiten nummerirte Plätze ausgegeben werden sollen. Auf eine Interpellation, ob Bestrebungen im Gange seien, eine Verschmelzung mit der "Radfahrer-Vereinigung Union" herbeizuführen, gab der Vorsitzende die Erklärung ab, daß der Vorstand sich heute mit dieser vorläufig nicht offiziell an ihn herangetragenen Frage beschäftigt habe und vorläufig nur sagen könne, daß er sich im Ganzen sympathisch zu einer Verschmelzung stellen werde, alles Andere sei abzuwarten.(Zustimmung.) Es wurde dann eine Reihe von Telegrammen verlesen, darunter auch eine Einladung der "Union", ihren bevorstehenden Kongreß in Regensburg am 12. August und folgende Tage durch ein Mitglied des Bundes beschicken zu wollen. Ein Vorstandsmitglied wird die Vertretung übernehmen. - Die Versammlung acceptirt dann ohne Debatte den Antrag des Vorstandes, den hochverdienten langjährigen Mitgliedern der früheren Magdeburger Bundesverwaltungsstelle, den Herren Carl Biermann und Otto Koch, für langjährige, dem Bunde treu geleistete Dienste eine Ehrenurkunde zu verleihn. Die Versammlung ging zur Berathung des Etatsentwurf pro 1. Januar 1895/96. Einnahmen und Ausgaben sind auf 87 000 Mk. veranschlagt. Im Zusammenhange damit wird ein Antrag des Gaues 17 (Hannover) zur Verhandlung gestellt, zu beschließen, eine Vereinfachung der jetzigen Bundesverwaltung herbeizuführen und zwar durch Selbstständigmachung der Gaue. Der Vorsitzende bemerkt, daß dieser sg. Antrag thatsächlich kein Antrag, sondern höchstens eine Anregung und daher in dieser Form nicht diskutabel sei. Herr Behre -Hannover stellt in Aussicht, daß der 17. Gau im nächsten Jahre einen speziellen formulierten Antrag einbringen werde.
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